Flucht aus Pretoria – Unser Review zum Film

Klick. Das Schloss schnappt auf. Ein leises Knarren, als der selbstgebaute Schlüssel sich im letzten Zylinder dreht. Herzschlag für Herzschlag rückt die Freiheit näher. Tim Jenkin und seine Mitstreiter stehen kurz davor, das Unmögliche zu schaffen: die Flucht aus dem berüchtigten Gefängnis in Pretoria. “Flucht aus Pretoria” verspricht einen packenden Thriller, der auf einer wahren Geschichte basiert. Doch gelingt es dem Film, die Komplexität der Apartheid und den Mut der Widerstandskämpfer authentisch einzufangen, oder verkommt er zu oberflächlichem Hollywood-Kitsch? Dieser Frage wollen wir in unserer Filmkritik auf den Grund gehen.

Die wahre Geschichte hinter den Gefängnismauern

Südafrika in den 1970er Jahren: Die Apartheid, das brutale System der Rassentrennung und Unterdrückung, beherrscht das Land. Die schwarze Bevölkerung wird systematisch entrechtet, diskriminiert und ihrer fundamentalen Menschenrechte beraubt. In dieser Zeit des Unrechts erheben sich mutige Stimmen gegen das Regime. Tim Jenkin und Stephen Lee, zwei weiße Anti-Apartheid-Aktivisten, riskieren ihr Leben, indem sie Flugblätter verteilen, um die Bevölkerung über die Gräueltaten der Apartheid aufzuklären und zum Widerstand aufzurufen. Ihr Engagement bleibt nicht ungestraft. Sie werden verhaftet und wegen “Terrorismus” zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Das Gefängnis in Pretoria, ein Symbol der Unterdrückung und des unmenschlichen Apartheid-Regimes, wird zu ihrem neuen Zuhause. Doch Jenkin und Lee geben die Hoffnung nicht auf. Angetrieben von ihrem unerschütterlichen Glauben an Gerechtigkeit und Gleichheit, beginnen sie, einen waghalsigen Plan auszuhecken: den Ausbruch.

Die Geschichte dieser Flucht ist nicht nur ein packendes Abenteuer, sondern auch ein eindrucksvolles Zeugnis des Kampfes gegen ein zutiefst ungerechtes System. Die Apartheid prägte Südafrika über Jahrzehnte tiefgreifend und führte zu unzähligen Leidensgeschichten. Pretoria, die administrative Hauptstadt, spielte dabei eine zentrale Rolle. Einst ein Zentrum der Burenmacht und später Sitz der Apartheid-Regierung, wurde die Stadt zum Symbol der Unterdrückung und Diskriminierung. Die Gefängnisse Pretorias, darunter auch das, aus dem Jenkin und Lee flohen, waren Orte der Angst und Verzweiflung für politische Gefangene. Heute ist Pretoria, offiziell umbenannt in Tshwane, eine pulsierende Metropole, die versucht, ihre dunkle Vergangenheit aufzuarbeiten und eine demokratische Zukunft zu gestalten. Die Narben der Apartheid sind jedoch noch immer sichtbar, und die Stadt ringt weiterhin mit den sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten, die das Erbe dieses Systems sind. Die Geschichte der Stadt Pretoria ist vielschichtig und es ist definitiv keine Zeitverschwendung sich mit dem Ort auseinanderzusetzen.

Der Film weicht in einigen Punkten von den tatsächlichen Ereignissen ab, insbesondere in der Darstellung der Charaktere und der Dynamik innerhalb der Gefängnismauern. Während der Film sich primär auf die technische Seite des Ausbruchs konzentriert – die Konstruktion der Schlüssel, die Planung der Route, die Überlistung der Wärter – vernachlässigt er die politischen und gesellschaftlichen Dimensionen, die den Widerstand gegen die Apartheid motivierten. Die Komplexität des politischen Kampfes, die moralischen Dilemmata und die persönlichen Opfer der Aktivisten werden nur am Rande behandelt. Dies führt zu einer gewissen Vereinfachung der historischen Realität und beraubt den Film einer wichtigen Ebene der Bedeutung.

Flucht aus Pretoria unter der filmischen Lupe

“Flucht aus Pretoria” baut die Spannung langsam aber effektiv auf. Die klaustrophobische Atmosphäre des Gefängnisses, verstärkt durch die graue Farbpalette und die engen Kameraeinstellungen, vermittelt dem Zuschauer ein Gefühl der Beklemmung und der Ausweglosigkeit. Die detaillierte Darstellung der Ausbruchsplanung, bei der Jenkin mit akribischer Genauigkeit Schlüssel aus Holz schnitzt, erzeugt eine fast dokumentarische Wirkung und lässt den Zuschauer an den Gedankengängen und den technischen Herausforderungen des Protagonisten teilhaben. Die nervenaufreibenden Momente der Durchführung, in denen jedes Geräusch, jeder Blick der Wärter potenziell die Entdeckung und das Scheitern des Plans bedeuten kann, halten den Zuschauer bis zum Schluss in Atem. Die Dramaturgie ist jedoch recht simpel gestrickt und konzentriert sich hauptsächlich auf den handwerklichen Aspekt der Flucht.

Daniel Radcliffe, bekannt aus den Harry-Potter-Filmen, liefert eine solide Leistung als Tim Jenkin ab. Er verkörpert die Entschlossenheit, den Einfallsreichtum und die stille Beharrlichkeit des jungen Aktivisten überzeugend. Er distanziert sich deutlich von seiner Rolle als Zauberlehrling und beweist seine Vielseitigkeit als Schauspieler. Auch die anderen Darsteller, insbesondere Daniel Webber als Stephen Lee, tragen zur Glaubwürdigkeit des Films bei. Dennoch fehlt es den Figuren an Tiefe. Die emotionalen und psychologischen Auswirkungen der Gefangenschaft und des Widerstands – die Angst vor Entdeckung, die Isolation, die Hoffnung auf Freiheit – werden nur oberflächlich behandelt.

Die Regie von Francis Annan ist handwerklich solide. Die Kameraführung unterstreicht die beklemmende Atmosphäre des Gefängnisses und fängt die Spannung der Fluchtszenen effektiv ein. Die Farbpalette, dominiert von grauen und braunen Tönen, verstärkt den Eindruck der Hoffnungslosigkeit und des Verfalls. Der 70er-Jahre-Stil, sowohl in der Ausstattung als auch in der Musik, trägt zur Authentizität des Films bei und versetzt den Zuschauer zurück in die Zeit der Apartheid. Annan gelingt es, eine authentische Atmosphäre zu schaffen, die den Zuschauer in die Geschichte hineinzieht.

Trotz der spannenden Handlung und der guten schauspielerischen Leistungen weist “Flucht aus Pretoria” einige Schwächen auf. Die oberflächliche Behandlung der politischen und gesellschaftlichen Hintergründe der Apartheid ist ein gravierender Mangel. Der Film reduziert den komplexen Kampf gegen die Rassentrennung auf eine simple Abenteuergeschichte. Die “Hollywoodisierung” der wahren Geschichte, die sich in der Fokussierung auf Action und Spannung und der Vernachlässigung der politischen und sozialen Dimensionen äußert, geht zu Lasten der historischen Genauigkeit und der emotionalen Tiefe. Die Entscheidung, die Dreharbeiten in Adelaide statt in Pretoria durchzuführen, trägt ebenfalls zur Künstlichkeit des Films bei. Die authentischen Schauplätze hätten dem Film mehr Glaubwürdigkeit und emotionale Wucht verliehen.